Herkunft und Familie
Georg Roses Vater Friedrich (Fritz), der in Bochum aufgewachsen war, hatte bei Verwandten im
Münsterland eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert.
Während er danach auf einem Lehrgang in Berlin zusätzlich kaufmännische Kenntnisse erwarb,
lernte er Georgs Mutter Agnes kennen, die aus Pommern stammte. Sie war damals in einem
großbürgerlichen Berliner Haushalt beschäftigt. 1940 heiratete das Paar und blieb in Mutter
Agnes Heimat, Pommern.
Dort fungierte Fritz Rose u.a. als Gutsverwalter. Aus der Ehe ging ein Sohn, Georgs älterer Bruder,
hervor, der später auf der Flucht von Pommern nach Westdeutschland die damit verbundenen
Strapazen leider nicht überlebte.
Georg wurde am 11. August 1946 im Maria-Hilf-Krankenhaus in Bergheim geboren, als die
Roses bereits in Elsdorf-Angeldorf ansässig waren. Wie gerade erwähnt, gelangte das Ehepaar
Rose unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg nach Elsdorf-Angelsdorf. So wie Millionen anderer Menschen
aus den östlichen Regionen waren sie im Westen gestrandet.
Kindheit in Angelsdorf
Meine Großtante Barbara Brüser, Schwester meines Großvaters mütterlicherseits, war vor dem Krieg
ca. 30 Jahre lang Haushälterin des Pfarrers in Bergheim-Paffendorf, Dechant Dr. Herrmanns.
Kurz vor seinem Lebensende vererbte er Tante Barbara für ihre treuen Dienste ein mehrstöckiges
Wohnhaus mit großem Garten in Elsdorf-Angelsdorf. Die obdachlosen Fritz und Agnes Rose bezogen
gemäß Verfügung der zuständigen Behörden eine Wohnung in dem für meine alleinstehende Tante
viel zu großen Anwesen.
Zwischen Tante Barbara bzw. Tante Brüser, so wurde sie von den Roses genannt, entwickelte sich
bald eine herzliche Beziehung.
Praktisch von Geburt an war die Tante eine wichtige Bezugsperson für Georg. Auch zu ihrer,
also meiner Familie pflegte die Tante recht enge Beziehungen. Daher ergab es sich, dass ich und
meine Mutter regelmäßig in Angelsdorf zu Besuch weilten. Insbesondere zur Erntezeit war der große
Garten ein idealer Tummelplatz für uns Kinder, auf dem man sich u. a. nach Herzenslust mit Äpfeln,
Birnen und Pflaumen geradezu vollstopfen konnte. Das war Ende der vierziger, Anfang der fünfziger
Jahre beileibe keine Selbstverständlichkeit.
So kam es, dass Georg als Dreijähriger und ich als Siebenjähriger uns bereits 1949 kennenlernten.
Schon damals, dies kam mir später deutlich zu Bewusstsein, übte die überaus fromme Tante Barbara ganz
sicher einen immensen Einfluss auf Georg aus, der dann ja m. E. die einzigartige Laufbahn Georgs
zumindest mitbegründete. Seine Schwester Regina versicherte mir übrigens, dass ihr Bruder bereits als
kleiner Junge nie einen anderen Berufswunsch als Priester geäußert habe.
Niederaußem
Georgs Vater fand bald eine Anstellung in dem Niederaußemer Familienunternehmen Gebrüder Schreiber KG.
Dort, d.h. auf dem Firmengelände, errichtete sein Arbeitgeber damals ein Wohnhaus, welches die inzwischen
fünfköpfige Familie Rose 1953 bezog. Mit seinen Geschwistern Regina und Karl-Heinz wuchs Georg dort in
christkatholischem Geist in einem intakten Familienverband auf.
Ab 1957 besuchte er das Erftgymnasium in Bergheim, wo er 1966 die Reifeprüfung ablegte. Nach dem
Abitur absolvierte er sein Theologiestudium in Bonn und Tübingen sowie dem Kölner Priesterseminar.
Nach seiner Weihe zum Diakon war er ein halbes Jahr in Wermelskirchen tätig.
Kaplan in Horrem
1972 wurde er im Kölner Dom durch den damaligen
Kardinal Höffner zum Priester geweiht.
Bis 1978 war Georg Kaplan in Kerpen-Horrem,
wobei er sich auch um die Dekanatsjugend
kümmerte und als Bezirkskurat
der St. Georgs-Pfadfinder fungierte.
Georg Rose
als junger Student
Foto: Unbekannt
Brasilien
Bereits 1974 hatte Georg mit Freunden eine Reise nach Brasilien unternommen. Möglicherweise
- so seine Schwester Regina - sei er spätestens da für sein 33 Jahre währendes seelsorgerisches
Engagement dort inspiriert worden. Zuvor habe er zwar stets ein missionarisches Sendungsbewusstsein in
sich verspürt, ohne sich allerdings zunächst geografisch festzulegen. Genauso wie Brasilien hätte es
z.B. auch irgendein afrikanisches Land sein können. Spätestens nach seiner oben erwähnten Brasilienreise
war er, wie seine Schwester es bereits vermutet hatte, fest entschlossen, in diesem faszinierenden Land
seine missionarischen Vorstellungen zu verwirklichen. Als er mit diesem Wunsch an seinen Arbeitgeber,
das Erzbistum Köln, herantrat, wurde ihm dort geraten, erst einmal einige Jahre Berufserfahrung in
Deutschland zu sammeln. Wie bereits geschildert, ist er diesem Rat konsequent gefolgt. 1978 war es
dann so weit. Vermutlich hatte er noch in Deutschland portugiesische Sprachkenntnisse erworben,
als er zunächst in der Prälatur der Diözese do Sul über die Gegebenheiten seiner zukünftigen Tätigkeiten
instruiert wurde und darüber hinaus sein Portugiesisch perfektionierte.
Sodann begann er seinen Dienst in Porto Walter im Bundesstaat Acre. Dort wirkte er 10 Jahre lang,
bevor er nach Eirunepé in Amazonien versetzt wurde.
In Eirunepé sowie etlichen dazu zählenden kleinen Urwaldsiedlungen leben insgesamt mehr als 20.000
Menschen. Dort befindet sich der Sitz der röm. katholischen Gemeinde, für die „Padre Jorge“ Rose von
1989 bis 2007 die Verantwortung trug. Um die dortigen Dimensionen erfassen zu können, sei hier angemerkt,
dass die Distanz zum am weitesten entfernten Punkt der Kommune bis zu 500 km beträgt. Daher ist es
kaum verwunderlich, dass Padre Jorge und/oder seine Mitbrüder mehrmals im Jahr mit pfarreigenen
Booten 3 bis 4 Wochen auf dem Juruá und weiteren verzweigten Flussläufen unterwegs waren,
um ihre Gemeindemitglieder zu besuchen und z.B. Taufen und Eheschließungen zu vollziehen.
West Brasilien: Die Wirkungsstätten
von Padre "Jorge" Rose sind markiert.
Besuch aus der Heimat
An dieser Stelle erlaube ich mir, auf ein privates Reiseerlebnis zurückzublicken, an das ich und meine
beiden Mitreisenden, Wilfried Abts und Eduard Hinkelmann, uns immer wieder gerne voller Respekt und
Hochachtung erinnern. Als Georg Rose dort bereits 16 Jahre lang seine Mission erfüllte, trafen wir am
14.03.2005 in Eirunepé ein. Dort verweilten wir bis zum 19.03.2005, um uns über Padre Jorges tägliche
Aufgaben zu informieren und ihn bei seinem missionarischen Tun zu erleben. Dieser fünftägige Aufenthalt
als Gäste Georgs war, wie sich bald herausstellte, der absolute Höhepunkt unserer insgesamt dreiwöchigen
Südamerikareise.
Gemeinsam mit zwei aus Deutschland stammenden Padres sowie einem jüngeren brasilianischen Diakon
war der damals etwa 59 Jahre alte Georg Rose vielfältig gefordert. Seinerzeit beklagte er u.a., dass sich
dort wie in ganz Brasilien zunehmend Sekten breit machten, denen es mit bauernfängerischen Methoden
immer wieder gelang, katholische Gläubige abzuwerben. Dies zu verhindern erforderte neben den immensen
anderen Aufgaben einen eigentlich nicht verfügbaren Zeitaufwand.
Neben dem seelsorgerischen Auftrag unterhält die katholische Kirchengemeinde Kindergärten, Schulen,
praktiziert Altenbetreuung, Sucht- und Sozialhilfe. Tatkräftig unterstützt wurden die oben Genannten unter
anderem von einem Konvent von 5 oder 6 Franziskanerinnen, deren Mutterhaus sich im niedersächsischen
Vechta befindet. Sie fungierten z. B. als Krankenschwestern, Lehrerinnen und Erzieherinnen.
In dem großen Pfarrhaus ging es zu wie in einem Taubenschlag. Schon frühmorgens bildeten sich vor dem
Haupteingang lange Schlangen von Bittstellern und Hilfsbedürftigen. In der Regel wurde allen mit Ratschlägen,
Nahrungsmitteln, Kleidung und falls erforderlich auch finanziellen Zuwendungen geholfen.
Georgs Selbstlosigkeit zog sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Er half ungeachtet der Person und
der Konfession immer dort, wo Hilfe erforderlich war.
Ich persönlich erinnere mich z.B. an ein Gespräch mit seiner Mutter in den siebziger Jahren: „Der Junge gibt
sein letztes Hemd und läuft selbst mit Löchern in den Schuhsohlen herum!“.
Ohne Wenn und Aber stellte Georg mir in Eirunepé sein durch ein Moskitonetz geschütztes Bett zur Verfügung,
um selbst in einer Hängematte zu übernachten.
Früher war die Kautschukgewinnung in ganz Amazonien Grund für einen ausgeprägten Wohlstand quer durch
alle Bevölkerungsschichten. Seit Kautschuk synthetisch produziert werden kann, ging der Naturkautschuk-
boom abrupt zu Ende. Die beinahe einzige Einnahmequelle versiegte. Der Lebensstandard weiter
Bevölkerungskreise sank rapide. Alkohol- und Drogenprobleme nahmen einen immer breiteren Raum ein.
Besonders die Familien der Ärmsten leiden - mit im Durchschnitt immerhin 5 bis 6 Kindern, deren Väter
sich nicht selten aus dem Staub gemacht hatten - unvorstellbar große Not.
Für Padre Jorge und seine Mitstreiter war es alles andere als einfach, diesen prekären Verhältnissen entgegen
zu wirken. Gott sei Dank wurden die unermüdlichen Anstrengungen Georgs, seiner Mitbrüder,
Ordensschwestern und weiterer Helfer durch ein großzügiges Spendennetzwerk in Deutschland, d.h.
insbesondere aus dem Erzbistum Köln, durch Menschen in den Gemeinden Brauweiler, Glesch, Horrem und
Niederaußem u.a. permanent ermutigt.
Während unseres Aufenthaltes in Eirunepé im März 2005 waren Georg, meine beiden Mitreisenden sowie
der Bootsführer und ich in einem pfarreigenen Boot einen Tag lang auf dem Juruá, einem Nebenfluss des
Amazonas, der die Breite des Rheins bei Köln augenscheinlich übertraf, unterwegs. Als wir nach einigen
Stunden Fahrt in einer Eingeborenensiedlung anlegten, konnten wir uns davon überzeugen, welcher
Wertschätzung Padre Jorge sich bei diesen Menschen erfreute. Er wurde geradezu angehimmelt und
fast wie ein Messias empfangen.
Trotz pommerscher und westfälischer Vorfahren hatte sein Leben im Rheinland ihn derart geprägt,
dass jedermann bei ihm rheinische Wurzeln vermutete. Sein trockener hintergründiger Humor, seine ruhige,
stets den Menschen zugewandte Art haben entscheidend dazu beigetragen, dass insbesondere sein
33-jähriges Engagement in Brasilien so erfolgreich war. Einen typischen Beweis für seine Art von Humor
lieferte Georg Rose, als er erfuhr, dass meine Ehe, die er im Mai 1975 in St. Johann Baptist in Bergheim-
Niederaußem eingesegnet hatte, nach 25 Jahren gescheitert war, indem er sich bei mir für seinen Fehler
entschuldigte: „Wenn ich dat domols jeahnt hät, höt ich mich jeweijert, üch zu traue! Ongerstank dich ever
nur nit allein mir de Schold dofür en de Schohn zu schiebe!“
Pfarrfest auf brasilianisch
Als wir 2005 im März in Eirunepé weilten, fand dort gerade ein einwöchiges Pfarrfest statt. Im Verlauf der
Feierlichkeiten besuchten wir u.a. eine Heilige Messe, die Padre Jorge in seiner unnachahmlichen Art
zelebrierte. Anlässlich des Festes war die Kirche in den buntesten Farben geschmückt. Z.B. um den
Hauptaltar herum waren hunderte farbiger Luftballons drapiert. Die Menschen drängten sich mit Kind und
Kegel im Kirchenschiff. Viele waren mit Musikinstrumenten, Gitarren, Trommeln u.a. ausgestattet.
Kindergeschrei, wo man hinhörte. Viele mehr oder weniger talentierte Sängerinnen und Sänger sorgten für
eine unglaubliche Geräuschkulisse. Der Höhepunkt war ein ohrenbetäubendes Gepolter. Ein sinnlos
Betrunkener war mitsamt seiner Bank zu Boden gestürzt.
Bemerkenswert war, dass Padre Jorge sich von dem ganzen Tohuwabohu nicht im Geringsten aus dem
Konzept bringen ließ. Das war allerdings durchaus charakteristisch für ihn. Niemand, der Georg näher
gekannt hat, hätte sich über seine ausbleibende Reaktion gewundert. So war er eben.
Vor allem im amazonischen Eirunepé hat Padre Jorge seine im wahrsten Sinne des Wortes großen
Fußspuren hinterlassen. Georg war immerhin fast 2 Meter groß und hatte Schuhgröße 47 oder 48.
Jetzt aber Scherz beiseite. Wer auch immer Georg in Eirunepé nachgefolgt ist, wird sich schon sehr
angestrengt haben müssen, um dessen Charisma auch nur annähernd zu erreichen. Von 2007 bis 2011
wurde Georg, offenbar auch schon aus gesundheitlichen Gründen, in die Bischofsstadt Cruzeiro do Sul
versetzt. 2012, nun bereits 66 Jahre alt, war seine Rückkehr nach Deutschland wegen fortschreitender
krankheitsbedingter Einschränkungen unumgänglich.
Lebensabend in Königsdorf
Im Altenzentrum St. Augustinus in Frechen-Königsdorf bezog er eine eigene Wohnung, die er fortan mit
Katharina Böhmer teilte. Frau Böhmer, von Georg Tante Käthe genannt, war gelernte Krankenschwester und
hatte ihn auch lange Jahre in Brasilien begleitet. In Königsdorf unterstütze sie Georg vorrangig als
Haushälterin, bis sie vor einigen Jahren 86-jährig verstarb. Kurz zuvor hatten Manfred Erken, ein
Jugendfreund Georgs, und ich sie bei einem Besuch in Georgs Wohnung bereits im Rollstuhl sitzend,
sich noch recht lebhaft an unserem Gespräch beteiligend erlebt. Während der letzten Jahre, die auch
Krankenhausaufenthalte mit operativen Eingriffen beinhalteten, hatte Georg Rose seine intensiven Kontakte
nach Brasilien aufrechterhalten. Dabei wurde er von seinem großen Freundeskreis - wie gehabt - auch
weiterhin mit großzügigen Spenden bedacht. Soweit sein Gesundheitszustand ihm das erlaubte, hat er
auch Brasilienreisen unternommen.
Im Antoniushaus hat er u.a. regelmäßig hl. Messen gefeiert. In den letzten Monaten wurde er in seinem
täglichen Leben von einer Brasilianerin, die er von früher kannte, unterstützt. Sie war auch in seiner
Wohnung anwesend, als er am 29. Januar 2022, geschwächt durch eine langwierige Krebserkrankung
sowie einer akuten Infektion nur drei Tage vor seinem Goldenen Priesterjubiläum friedlich eingeschlafen ist.
Als letzte Ruhestätte für seine sterblichen Überreste hatte sich Georg Rose das Kolumbarium in der
Grabeskirche St. Bartholomäus in Köln-Ehrenfeld bereits zu Lebzeiten gewünscht. Hier kann seine Urne
zu bestimmten Zeiten täglich besucht werden.
Die letzte Ruhestätte von Georg Rose in der Grabeskirche Köln-Ehrenfeld.
Fotos: J. Hübner